Fraktionsgemeinschaft Unabhängige Frauen
& Linke Liste
Februar
2003
„Die große
Notoperation“
titelt die BZ am 14.11.2002 und erläutert der Freiburger Bürgerschaft, dass in den nächsten beiden Jahren Haushaltslöcher in der Größenordnung von jeweils knapp 90 Mio. Euro zu stopfen seien. Seitdem wird heftig diskutiert in der Stadt, welche der „85 Grausamkeiten“ uns angetan und welche noch ersonnen werden sollten.
Nur am Rande scheint es die Badische Zeitung, die Stadtverwaltung und die seither eifrig um die Wette „sparenden“ Fraktionen der Parteien im Gemeinderat zu interessieren, woher diese Löcher kommen, wer sie maßgeblich zu verantworten hat. Diesen Mangel abzustellen sollen diese Informationen einen Beitrag leisten – bekanntlich lassen sich Missstände nur dann nachhaltig beheben, wenn ihre Ursachen gründlich analysiert und (soweit möglich) beseitigt werden...
„Der
Steuer-Wahn“
Dieser „Spiegel“ – Titel der ersten Dezemberwoche
reiht sich nahtlos ein in die Stimmungsmache der letzten Monate. In Übereinstimmung
mit fast allen Medien und den RepräsentantInnen verschiedener Parteien breitet
das Blatt deren Botschaft vor uns aus: Wir alle zahlen viel zu viele Steuern,
und jetzt sollen wir alle noch viel mehr als bisher an den Staat abtreten – bis
zum letzten Hemd.
Leider geht diese Aussage an der Realität völlig vorbei. Noch nie
wurden in der Bundesrepublik (anteilsmäßig) so wenig Steuern bezahlt wie im
Jahre 2002. Die Steuerquote, die angibt, wieviel Prozent des BIP der Staat
insgesamt als Steuern einnimmt, schwankte seit 1970 bis zum Jahr 2000 immer
zwischen knapp 22 und 25 Prozent. Dann kam Rot-Grün mit Ihrer Steuerreform und
dem Ergebnis, dass nach 23% im Jahr 2000 im folgenden Jahr noch 21,6 und 2002
gar nur noch 20,8* Prozent des erwirtschafteten Wertes an den Staat zur Erfüllung
seiner Aufgaben abgeführt werden mussten. Dieser Rückgang der Quote innerhalb
von nur 2 Jahren um 2,2 Prozentpunkte ist rekordverdächtig.
Konkret: Wäre die Steuerquote des Jahres 2000
beibehalten worden, dann hätten die öffentlichen Haushalte im Jahr 2002 ca.
46,5 Mrd. Euro
mehr zur Verfügung gehabt. Das bedeutet: es gäbe keine Diskussion um angeblich
notwendige „Sparmaßnahmen“, es könnte sogar noch einiges zum Schuldenabbau auf
die Seite gelegt und Schluss gemacht werden mit der immer weitergehenden Verlagerung
der finanziellen Probleme nach unten, zu den Kommunen. Übrigens: hätte die
Steuerquote von 1980 heute noch Gültigkeit, dann kämen per Steuereinnahmen
jährlich 71 Mrd. Euro mehr in die öffentlichen Kassen als im abgelaufenen Jahr...
Sollte der/die LeserIn dieser Zeilen nun vergebens nach den positiven persönlichen Auswirkungen der massiven Steuerentlastung Ausschau halten, so liegt dies mit einiger Sicherheit daran, dass sie/er nicht zur Schar der Begünstigten gehört – denn gleichmäßig auf alle verteilt oder gar denen bevorzugt zugestanden, die ein paar Euro mehr wirklich dringend brauchen könnten, werden die Steuergeschenke beileibe nicht.
Dieses Prinzip deutscher Steuerpolitik - bereits unter Kohl recht dreist praktiziert - wurde mit leichten Korrekturen und einigen Schwerpunktverlagerungen von „Rot - Grün“ konsequent weitergeführt. Unter der Überschrift „weniger Staat“ fand eine stetige Reduktion der Staatseinnahmen zugunsten privater Einkommen und Vermögen statt, auch wenn damit die öffentlichen Haushalte zunehmend an die Wand gefahren werden. Waren es vor 1998 die „Besserverdienenden“, deren Privatvermögen durch milliardenschwere Steuergeschenke explosionsartig in die Höhe getrieben wurde („Millionäre zahlen keine Steuern“), so änderte „Rot-Grün“ die Hauptrichtung der Geschenke. Teilweiser Abbau der Steuersparmöglichkeiten für Privatpersonen gingen einher mit der Eröffnung bis dahin nicht dagewesener Steuervermeidungsangebote für die Großunternehmen. Die Folge: Der faktische Wegfall der Einnahmen der sog. „Körperschaftssteuer“, die im Jahr 2000 noch über 23 Mrd. Euro einbrachte.
Ein
weiterer Teil der aktuellen Steuergeschenke an die Wirtschaft betrifft die
Kommunen ganz direkt: die Einnahmen aus der Gewerbesteuer gingen als direkte
Folge der Steuerreform von 2000 bis 2002 um 16% zurück. Und inzwischen befinden
sich auch die privaten Steuersenkungsstrategien wieder auf dem Vormarsch. Zusammen
mit der Senkung des Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer spiegeln sich diese
wieder in einem Rückgang der „veranlagten Einkommensteuer“ um 4,6 Mrd. Euro *
innerhalb von 2 Jahren. (Näheres siehe Extra – Seite „die Geschichte der
steuerlichen Milliardengeschenke“ mit einer grafischen Darstellung der Entwicklung
der Steuereinnahmen).
Diese rotgrüne Steuerpolitik führt eine Entwicklung
fort, die seit Jahrzehnten festzustellen ist:
Die Belastung
des Faktors Kapital wird ständig gesenkt - der Faktor Arbeit dafür immer
stärker belastet.
Die durchschnittliche Lohnsteuerbelastung der abhängig Beschäftigten hat sich in den letzten 40 Jahren mehr als verdreifacht, dagegen sank die steuerliche Belastung der Gewinn- und Vermögenseinkommen deutlich.: Im Jahr 2000 betrug sie nur noch ein Drittel dessen, was während des sog. „Wirtschaftswunders“ den Gewinnen zugemutet wurde. Die Nettoeinkünfte aus Gewinn- und Vermögenseinkommen sind deutlich schneller gewachsen als die der abhängig Beschäftigten. Entsprechend ging der Anteil der Nettolöhne der abhängig Beschäftigten am verfügbaren Volkseinkommen (Nettolohnquote) kräftig zurück, die Nettogewinnquote stieg auf etwa 30 Prozent.
Hinter dieser massiven Entlastung der Kapitaleinkommen steht einerseits die Hoffnung, dadurch Wachstum und neue Arbeitsplätze zu erreichen. Doch diese Hoffnung trügt seit Jahrzehnten: der wachsende Reichtum von Unternehmen und Privatpersonen kommt kaum der gesamten Gesellschaft zugute. Steuersenkungen führen – so zeigen es die letzten Jahrzehnte überdeutlich – nicht zu neuen Arbeitsplätzen, dafür ganz offensichtlich zu wachsender öffentlicher Armut.
Andererseits ist sie Ausdruck eines seit
Jahren festzustellenden ruinösen Steuersenkungswettlaufs der Industrieländer.
Seit Anfang der 80er-Jahre spielen die deutschen Regierungen in diesem Wettlauf
allerdings nicht gerade die Rolle eines Bremsers. Die steuerliche Belastung
insbesondere der Großunternehmen fiel in Deutschland deutlich schneller als in
vergleichbaren Ländern. Und auch die Kapitalbesteuerung wurde in Deutschland
wesentlich stärker gesenkt als beispielsweise in Großbritannien und den USA. Umgekehrt
wuchs in Deutschland die durchschnittliche Besteuerung der Arbeitseinkommen
überdurchschnittlich und erreichte deutlich höhere Werte als in den USA oder
Großbritannien. Auf den erwünschten Nutzen wartet die deutsche Wirtschaft noch
immer vergeblich.
Ein wesentlicher Grund für den
Steuersenkungswettbewerb findet sich in der Liberalisierung der internationalen
Finanzmärkte. Diese von den Industriestaaten unter der Behauptung der Förderung
eines „wachsenden Wohlstands für alle“ vorangetriebene Entwicklung führte zu
lukrativen Steueroasen und wachsendem Druck auf die OECD-Länder, die
Besteuerung von Kapital, Unternehmen und Großverdienern zurückzufahren. Die
Mehrwertsteuersätze, sowie die von allen BürgerInnen zu zahlenden kommunalen
Abgaben zeigen einen gegenläufigen Trend. Dies alles ist Teil einer umfassenden
fiskalische Umverteilung von unten nach oben.
...und die
Konjunktur?
Natürlich hat auch die schwache Konjunktur und steigende Arbeitslosigkeit ihren Anteil als Ursache rückläufiger staatlicher Einnahmen. Angesichts der vorliegenden Zahlen sind diese Gründe allerdings als eher zweitrangig einzustufen. Umgekehrt jedoch gibt die Entwicklung Anlass zu größter Besorgnis: wenn viele Milliarden jährlich – wie es derzeit geschieht – den öffentlichen Haushalten entzogen und in die Aktiendepots und Geldkonten von Firmen und Privatleuten umgelenkt werden, dann führt dies fast zwangsläufig zu einem nicht unerheblichen Rückgang öffentlicher Investitionen. Unter ausbleibenden öffentlichen Aufträgen leidet ein Teil der Wirtschaft, insbesondere der Mittelstand, in der Tat zunehmend. Dass darüber hinaus zum Haushaltsausgleich gerade noch den sozial Benachteiligten Leistungen massiv gekürzt werden (Beispiel Arbeitslosenhilfe), verringert die Kaufkraft gerade derjenigen, die erfahrungsgemäß ihr Geld nicht horten, sondern ausgeben.
Als Fazit bleibt: eine Stärkung der Konjunktur erreicht man so nicht; fast sicher das Gegenteil. Zumal die ebenfalls mit Sparmaßnahmen begründete Erhöhung der Arbeitslosigkeit durch Abbau öffentlicher Arbeitsplätze die Situation zusätzlich verschärft: ausfallende Steuern und Sozialabgaben der dann Arbeitslosen und weitere Kosten der Arbeitslosigkeit belasten die öffentlichen Haushalte tatsächlich.
Ohne eine radikale Wende wird sich die Situation in Bund, Ländern und Gemeinden in den nächsten Jahren massiv weiter verschlimmern. Anstelle der alten, immer gleichen Rezepte, die zu immer mehr Arbeitslosigkeit und zunehmender Spaltung der Gesellschaft geführt haben, muss der Mut aufgebracht werden, (für manche) unbequeme Wege zu beschreiten: entsprechend ihrer Wirtschaftskraft und ihrem Vermögen oder gar Überfluss müssen diejenigen wieder mehr zur solidarischen Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben herangezogen werden, die durch eine geringfügig höhere Besteuerung nicht in Existenznöte geraten.
die Geschichte
der
steuerlichen
Milliardengeschenke
Dass „Millionäre keine Steuern mehr zahlen“ war Mitte der 90er-Jahre eine der allseits bekannten Auswirkungen Kohl‘scher Steuerpolitik mit ihrer einseitigen Begünstigung der „Besserverdienenden“ in dieser Republik. Drastisch die Auswirkung auf die öffentlichen Kassen:
·
die
„veranlagte Einkommensteuer“, in der vor allem die Steuerzahlungen und
Rückzahlungen aufgrund von Steuervergünstigungen von gutverdienenden Privatpersonen
zu Buche schlagen, schrumpfte von 21 Mrd. Euro (über 40 Mrd. DM) Anfang der
90er-Jahre auf einen Restposten von knapp 4 Mrd. Euro (1997) zusammen (siehe
Schaubild). Allein wegen dieser massiven Steuerausfälle sank die gesamte
Steuerquote auf einen Minimalwert von knapp 22% im Jahr 1997 (siehe Grafik auf
Seite 1).
Diese Ungerechtigkeit abzuschaffen zu wollen war
erklärte Absicht grüner und sozialdemokratischer PolitikerInnen vor der
98er-Wahl. Tatsächlich wurde eine radikale Kehrtwendung nach gewonnener Wahl
angekündigt – die danach allerdings nur bruchstückhaft in die Praxis umgesetzt
wurde. Der Mut schien die Leute schnell verlassen zu haben mit dem Resultat,
dass die Steuerzahlungen der begüterten Privatleute zwar anstiegen, aber kaum
mehr als die Hälfte der früheren Werte erreichten. Ab 2001 ist wiederum ein
deutlicher Abwärtstrend zu beklagen, was auf eine wieder zunehmende
Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen und nicht zuletzt auf die Senkung des
Spitzensteuersatzes durch „Rot-Grün“ zurückzuführen ist.
Nicht genug der unvollständigen „Reparaturen“
Kohl’scher steuerlicher Untaten ersannen die an die Regierung gekommenen
rot-grünen „ExpertInnen“ neue, ungeahnte Steuergeschenke in bis dahin nicht
dagewesenem Ausmaß:
·
die Körperschaftssteuer, die ausschließlich
von Großunternehmen zu bezahlen ist, wurde im Rahmen der Steuerreform neu
geregelt. Dabei wurden nicht nur die Steuersätze massiv gesenkt, sondern auch
Regelungen getroffen, nach denen (aufgrund unterschiedlicher Steuersätze für
einbehaltene und ausgeschüttete Gewinne) „zuviel“ gezahlte Steuern der letzten
Jahre mit anfallenden aktuellen Zahlungen verrechnet werden konnten. Folge: im
Jahr 2000 hatten die Einnahmen aus dieser Quelle noch gut 23 Mrd. Euro (46 Mrd.
DM) betragen – seither ist sie im Ergebnis quasi abgeschafft (siehe Schaubild).
Auch die Tatsache, dass der größte Teil dieser Steuergeschenke sich in den
Taschen der Anteilseigner wiederfindet (und eben nicht in erhöhten
Investitionen), wo sie eigentlich zu entsprechenden Mehreinnahmen bei der Kapitalertragssteuer
hätten führen müssen, gleicht im Ergebnis – was die gesamten Steuereinnahmen angeht
– diese Ausfälle nur zu einem geringen Teil wieder aus.
·
die Gewerbesteuer, die einzige Steuerform, deren
Einnahmen vollständig den Gemeinden zufließen, wurde ebenfalls von der
rot-grünen Steuerreform in Mitleidenschaft gezogen: vor allem großen Unternehmen
wurde die Möglichkeiten eröffnet, Verluste an einem Standort mit Gewinnen anderswo
zu verrechnen. Dies traf die Kommunen unterschiedlich stark: Freiburg
glücklicherweise fast nicht, andere Städte stehen vor dem Bankrott, weil bis zu
30% dieser Einnahmen weggebrochen sind. Insgesamt zeigt sich ein Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen
um 4,3 Mrd. Euro*, was gegenüber 2000 ein Minus von 16% bedeutet. In völliger
Missachtung der realistischen Erwartungen erhöhte der Bund gleichzeitig die
Gewerbesteuerumlage, den Teil der Gemeindeeinnahmen also, den die Kommunen an
Bund und Länder abzugeben haben mit der Begründung, durch diese Steuerreform würde
das Gewerbesteueraufkommen der Gemeinden steigen...
Was in den
nächsten Jahren zu erwarten ist,
lässt sich nur schätzen. Das Bundesfinanzministerium erhofft bei der Körperschaftssteuer eine Zunahme in 2003 um 6 Mrd., bei der veranlagten Einkommensteuer dagegen 2 Mrd. weniger, und, was die Gewerbesteuer angeht, nahezu Gleichstand*. Beim „Institut der deutschen Wirtschaft“ (iwd Nr. 33/02), dem erfahrungsgemäß stets sehr daran gelegen ist, aufzuzeigen, wie sehr die Wirtschaft unter der „viel zu hohen“ Steuerlast leidet, geht man in den nächsten Jahren von jährlich ca. 3 Mrd. mehr Körperschafts-, bzw. 1,2 Mrd. mehr Gewerbesteuer und kaum erhöhter veranlagter Einkommen - Steuer aus. und „Der Spiegel“ (Nr. 5/2002) berichtet, dass „deutsche Unternehmen nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums sogenannte „Verlustvorträge“ in Höhe von ca. 240 Mrd. Euro vor sich herschieben - heben sie diesen Schatz in den nächsten Jahren, um ihn mit ihren Gewinnen zu verrechnen, so drohen weitere Steuerausfälle von bis zu 60 Mrd. Euro.
Kein
Kurswechsel in Sicht
Wieweit die rotgrüne Regierung derzeit von einem Kurswechsel entfernt ist, zeigt die Ankündigung der sog. „Zinsabschlagsteuer“ in Höhe von 25% auf Kapitalerträge. Eingeführt zur Abwehr der Forderungen nach der Wiederbelebung der Vermögenssteuer (mit der sie inhaltlich rein gar nichts zu tun hat) hätte diese neue Steuer bezeichnenderweise nur einen absolut gesicherten Effekt: die Halbierung der Steuerbelastung auf Geldvermögenseinkünfte für all jene MitbürgerInnen, die aufgrund überdurchschnittlich hoher Einkünfte für einen Teil des Einkommens den Spitzensteuersatz zu zahlen haben. Alles andere, einschließlich der angekündigten vielen zusätzlichen Steuermilliarden von reumütigen Kriminellen ist reine Spekulation.
Was hat das alles mit Freiburg zu tun?
Dazu meint OB Dr. Salomon (am 1.10.02):
„Die wesentlichen Gründe für die Verschlechterung der Haushaltslage
sind nicht durch eigene Entscheidungen der Stadt hausgemacht, sondern durch
Einflüsse von außen verursacht.“
Tatsache ist:
·
Seit
vielen Jahren werden die Lasten der Landes- und Bundespolitik auf die Kommunen
abgeschoben, ohne dafür auch nur annähernd Ausgleich zu schaffen. Vor allem die
immer weiter vorangetriebenen Kürzungen der Arbeitslosenunterstützung sorgen für
einen unerträglichen Anstieg der (von den Kommunen zu zahlenden) Sozialhilfeleistungen.
Das aktuelle Minus: 7,1 Mio. Euro
·
An
den Einkommensteuern sind die Kommunen anteilsmäßig beteiligt. Während die
Einnahmen aus der Lohnsteuer der abhängig Beschäftigten in den vergangenen
Jahren keine großen Schwankungen aufweist, leiden die Gemeinden direkt unter
den viel zu niedrigen und sinkenden Einnahmen aus der veranlagten Einkommensteuer.
Das Wegbrechen der Körperschaftssteuer bekommen die Kommunen durch Kürzungen
der Bundes. und Landeszuschüsse zu spüren. Das aktuelle Minus: 9,4 Mio. Euro.
·
Das
„Minus“ der „Steuern und Allgemeine Zuweisungen“ wird sich (laut Bürgermeister
Neideck vom 13.11.02) um weitere 16 Mio.
erhöhen, wenn die Auswirkungen der Zahlen der aktuellsten Steuerschätzung auf
die Gemeinden zum Tragen kommen.
·
Ein
Großteil der erhöhten „Ausgaben für Umlagen“ ergibt sich aus dem Anstieg der
Zahlungen an den Landeswohlfahrtsverband, die u.a. aufgrund des Rückgangs der
Finanzzuweisung des Landes notwendig wird. Nicht berücksichtigt scheint bei der
angegebenen Summe (4,9 Mio. Euro) die die Freiburg abverlangte
Erhöhung der Gewerbesteuer-Umlage von 20 auf 28%, die zu einem zusätzlichen
Verlust von ca. 7 Mio. Euro führen dürfte.
Nach dieser Übersicht muss demnach weit mehr als die
Hälfte der zusätzlichen finanziellen Belastungen den politischen Entscheidungen
der Bundes- und Landesregierung zugeordnet werden.
Doch alle Probleme sind nicht auf Berliner und
Stuttgarter Entscheidungen zurückzuführen. Vielmehr ist die
Die Ära Böhme war geprägt durch eine Sucht nach repräsentativen Großprojekten, von denen das Konzerthaus (früher KTS) am erbittertsten umkämpft war und heute noch die massivsten Auswirkungen zeitigt - mit jährlichen Folgekosten von über 4 Mio. Euro, plus einer weiteren Mio. Euro für die Konzerthausgarage.
Die NEUE MESSE wurde gegen alle Bedenken durchgesetzt, wiewohl
Gutachten belegen, dass alle vergleichbaren Messen in Süddeutschland
defizitär arbeiten und prognostiziert wurde, dass die NEUE MESSE nicht
wesentlich mehr Umsatz werde erzielen können als die Alte, bei deutlich höheren
Kosten. Schließlich wurde die NEUE MESSE vor Jahren finanziert, während die
Erlöse für den Alten Messplatz erst jetzt nach Jahren erzielt werden (womit
sich die Stadt bei der Bebauung des Alten Messplatzes erpressbar gemacht hat).
Diese Reihe ließe sich mit dem 4-spurigen Ausbau der Mooswaldallee, dem Aussichtsturm
auf dem Schlossberg, der geplanten BAKOLA-Bebauung, dem Autobahnzubringeranschluss
für das Gewerbegebiet Haid usw. beliebig fortführen. Besonders gravierende
Auswirkungen hatte jedoch der Beschluss zur Aufgabe der Stadtwerke und der
Fusion zur Badenova. Statt wie erhofft Synergieeffekte zu erzielen, hat sich
schnell gezeigt, dass die Badenova der Stadt viele Millionen Euro weniger
einbringt als es die Stadtwerke früher getan haben. Allein hier ist ein
Haushaltsloch in zweistelliger Millionenhöhe aufgetreten.
Stadtverwaltung und Gemeinderats - Mehrheit lassen in ihren Bemühungen
zur Bewältigung der Freiburger Haushaltskrise alle bundes- und
landespolitischen Aspekte außer acht. Ohne eine grundlegende Änderung der
Finanzausstattung der Kommunen durch Bund und Land wird sich die Stadt Freiburg
jedoch wie ein Hamster im Laufrad bewegen und jedes neue Haushaltsloch zu
stopfen versuchen, während das nächste bereits produziert wird. Nur wenn
ernsthaft eine grundsätzliche Lösung für alle Kommunen der BRD gefunden wird,
macht eine Haushaltssanierung vor Ort wirklich Sinn. Dabei darf der Schwerpunkt
nicht einseitig auf das „Sparen“ gelegt werden, wie es Stadtverwaltung und
Gemeinderatsmehrheit tun, vorrangig muss auch die Verbesserung der kommunalen
Einnahmen ins Auge gefasst werden.
Die Freiburger Stadtverwaltung rühmt sich, wie „ausgewogen“ ihre Sparvorschläge
seien. Tatsächlich müssen sowohl die Kultur, als auch der Sport und der
Sozialbereich „bluten“. Von Ausgewogenheit keine Spur:
Während weitere 150 Stellen bei der Stadt abgebaut werden sollen,
während Selbsthilfe - Initiativen, freie Kulturgruppen und soziale Initiativen
durch z.T. massive Kürzungen von Zuschüssen ihre Arbeit einschränken müssen,
z.T. in ihrem Bestand bedroht sind, während das Stadttheater an den „Rand der
Schließung“ gespart und Museen geschlossen werden sollen, während dringend notwendige
soziale Aufgaben aufgegeben werden und der verheerende bauliche Zustand der
Freiburger Schulen sich weiter verschlechtert, soll nach den Plänen von OB
Salomon und der Stadtverwaltung die Freiburger Wirtschaft nicht einen einzigen
Cent zur Bewältigung der Finanzkrise leisten müssen.
Daneben verstärkt sich der Eindruck, dass es der Stadtverwaltung nicht daran liegt, genaue und nachvollziehbare Zahlen auf den Tisch zu legen. Der Verdacht wächst, dass die Haushaltskrise dazu benutzt werden soll, Panik zu schüren, um eine gesellschaftliche Zustimmung für einen Kahlschlag und „weniger Staat“ zu erzielen.
·
Die
Stadtverwaltung muss alle Zahlen offen und in vergleichbarer Form auf den Tisch
legen
·
„Die
Gemeindefinanzierung muss auf eine solide Basis gestellt werden, weil sonst die
kommunalen Investitionen noch weiter einbrechen“, wie am 7.10.02 der ver.di - Vorsitzende
Bsirske anlässlich der 2. Sitzung der Gemeindefinanzkommission erklärte. Nicht
nur Gemeinde- und Städtetage, auch die KommunalpolitikerInnen der in Bund und
Land vertretenen Parteien sind für die Gewährleistung einer soliden
Gemeindefinanzierung verantwortlich.
·
Es
ist unerträglich, wenn im stillen Kämmerlein einiger OB-Vertrauter eine „Liste
der Grausamkeiten“ ausgearbeitet wird und dann der staunenden Öffentlichkeit präsentiert
wird. Es ist unerträglich, wenn Spar - Überlegungen in nicht - öffentlichen
Sitzungen einer Finanzkommission beraten und verhandelt werden, während der
Gemeinderat schweigt. Es bedarf einer öffentliche Debatte über steuer- und
finanzpolitische Konzeptionen der Stadt, über Möglichkeiten zur Verbesserung
der kommunalen Einnahmen und zur Reduktion der Ausgaben. Und darüber, welche
städtischen Aufgaben unverzichtbar sind und welche Prioritäten bei den anderen
Aufgaben anzulegen sind. Die Stadt Freiburg sollte sich hier ein Beispiel
nehmen an der brasilianischen Millionenstadt Porto Alegre, wo ein derartiges
Verfahren seit Jahren mit Erfolg praktiziert
wird.
In Zeiten leerer Kassen ist das Festhalten an teuren prestigeträchtigen Großprojekten (wie z.B. der Erweiterung der NEUEN MESSE) unverantwortlich, jedoch sind Baumaßnahmen zur Sanierung der Schulen und zur Erweiterung des ÖPNV - auch zur Konjunkturstärkung - unverzichtbar. Bei sozial Benachteiligten (Familien, Kinder, Erwerbslose) müssen Kürzungen tabu sein - die Förderung ihrer gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bedarf in besonderem Maße kommunaler Fürsorge. Nur wenn auch Wirtschaft, Industrie und Gewerbe mit einem Beitrag zur Bewältigung der Finanzkrise herangezogen werden, kann von Ausgewogenheit gesprochen werden.
Es ist erschütternd, wie die Fraktion der Grünen, offensichtlich ohne
jegliche Prüfung, erklärt hat, 84 der 85 Vorschlägen der Verwaltung der „Liste
der Grausamkeiten“ zuzustimmen. Sparen kann und darf kein Selbstzweck werden,
jeder einzelne Vorschlag muss auf seine positiven wie negativen Auswirkungen
hin überprüft werden.
Einige dieser Vorschläge machen tatsächlich Sinn (z.B. häufigere
Vermietung von Schulräumen an Dritte, gemeinsame Kantine für Rathaus und
Sparkasse, organisatorische Umstrukturierungen in der Stadtverwaltung, die
Synergieeffekte ermöglichen, Einführung eines Investitionscontrollings
etc.)
Andere Vorschläge müssen in ihren konkreten Auswirkungen überprüft
werden, hierzu sind Sachverständige und insbesondere die Betroffenen zu hören
(z.B. das Zusammenlegen von Ämtern, von Kantinen etc.)
Völlig eindeutig ist, dass die Fraktionsgemeinschaft Unabhängige Frauen
& Linke Liste alle diejenigen Vorschläge ablehnen wird, die die Arbeit von
sozialen, kulturellen Initiativen gefährden und wichtige kommunale Aufgaben in
Frage stellen. Dies gilt insbesondere für die Ideen, die besonders die sozial
Benachteiligten treffen und damit zu einer weiteren Umverteilung von unten nach
oben führen werden (z.B. Kürzung der Zuschüsse beim Forum Weingarten-Ost, beim
Arbeitslosenpass, beim Mutter/Kind-Projekt, Einführung von Gebühren beim
Mundenhof und bei der
Stadtbibliothek, aber auch die geplante Schließung von Bädern und Museen)
Nachgedacht werden sollte über eine Erhöhung des Gewerbesteuer-Hebesatzes. Auch wenn dabei die Problematik besteht, dass mit einer Erhöhung der Gewerbesteuer eher mittelständische Unternehmen belastet werden und nicht die großen Konzerne und Banken. Doch auf kommunalpolitischer Ebene besteht keine andere Möglichkeit, auch die Wirtschaft zur Bewältigung der Finanzkrise heranzuziehen. Und in jedem Falle ist es den Freiburger Betrieben eine zusätzliche Belastung eher zuzumuten als vielen sozialen und kulturellen Initiativen. Eine Erhöhung des Hebesatzes (der seit 11 Jahren nicht mehr erhöht wurde) um 20 auf 420 Punkte würde zu Mehreinnahmen von ca. 3 Mio. Euro führen.
Weiter halten wir die Einführung einer „Parkraum-Bewirtschaftungs-Abgabe“ für sinnvoll. Mit dieser sollten die Freiburger Betriebe und Geschäfte eine Abgabe für die Bereitstellung öffentlicher Parkplätze leisten, von denen sie ja genauso wie die NutzerInnen profitieren.
Der Name des Dreisamstadions (und ggf. anderer öffentlicher Einrichtungen und Gebäude) könnte „verleast“ werden, d.h. für eine entsprechende Gebühr könnte es für einen bestimmten Zeitraum ein „Breuninger-Stadion“ oder eine „EuropaPark-Messe“ oder ähnliches geben. Erfahrungen zeigen, dass durch solche Maßnahmen jährliche Erlöse in Millionenhöhe zu erzielen sein könnten. Der EHC Freiburg hat solch einen Vorschlag für das Eisstadion selbst ins Gespräch gebracht.
Ein großer Teil der Vorschläge der Stadtverwaltung und der Gemeinderatsmehrheit sind sozial unausgewogen und treffen insbesondere die sozial Benachteiligten. Sie werden dazu beitragen, eine Umverteilung von unten nach oben noch weiter voranzutreiben.
Dabei wird versucht, die verschiedenen Interessen der Betroffenen
gegeneinander auszuspielen. Auch ein Artikel, wie der von G. Kirk in der BZ vom
2.1. 03, der völlig zu Recht darauf hinweist, welche verheerenden Auswirkungen
die vorgesehenen Sparmaßnahmen im sozialen Bereich haben werden und aufzeigt,
wie wenig nachhaltig diese Sparvorschläge sind, welche Kosten langfristig auf
die Stadt zukommen werden, um kurzfristig ein Haushaltsloch zu stopfen, geht
hier leider in diese falsche Richtung, in dem er vorgibt, dass lieber bei der
Kultur statt im Sozialen gekürzt werden solle.
Die Fraktionsgemeinschaft Unabhängige Frauen & Linke Liste wird
dieses Spiel nicht mitmachen. Wir sind der Überzeugung, dass die Stadt ihren
Aufgaben sowohl im kulturellen als auch im sozialen und im Sport- und
Schulbereich nachkommen muss.
Zur Lösung der Finanzkrise ist ein grundlegend anderer Weg zu
beschreiten. Und hierfür ist in Freiburg die Organisation zivilen Widerstands
und der Solidarität der Betroffenen zu organisieren.
Es ist notwendig, dass die Betroffenen selbst miteinander ins Gespräch
kommen.
Ein erster sinnvoller Ansatz dazu ist unser Hearing am Montag, 3.2.2003 im „Kaisersaal“ des Historischen Kaufhauses (Münsterplatz). Weitere gemeinsame Schritte müssen folgen.
Wir möchten darauf hinweisen, dass jede/r Bürger/in und jede/r
Steuerzahler/in das Recht hat, selbst Einwendungen gegen den Haushaltsentwurf
der Stadtverwaltung einzubringen. Diese Einwendungen können formlos erfolgen
und haben Antragscharakter. Die Frist hierfür läuft bis zum 18. Februar 2003
Nachfragen
können gerichtet werden an
Fraktionsgemeinschaft Unabhängige Frauen & Linke
Liste
Tel.Nr.: 201-1870 in den Bürozeiten Di 15-18, Mi
15Uhr 30 - 18 Uhr und Do 14 bis 17 Uhr
e-Mail : fraktion–uf-ll@stadt.freiburg.de / Webseite:
www.fraktion-uf-ll.de