Nur ein Schlagabtausch?

Aber immerhin: Marxisten und linke Theologen kamen bei einer Tagung im westfälischen Münster miteinander ins Gespräch

von Otto Meyer

"Falsche Götter - Religionskritik als Kapitalismuskritik" - diesen Titel trug eine Tagung, zu der zum letzten Mai-Wochenende die Marx-Engel-Stiftung und das katholische Institut für Theologie und Politik nach Münster eingeladen hatten. Referenten waren u.a. Werner Seppmann, Hans-Peter Brenner und Robert Steigerwald sowie Kuno Füssel, Michael Ramminger und Dick Boer - atheistische Marxisten die einen, marxistische Theologen die anderen. Gemeinsames Anliegen war, mögliche Übereinstimmungen in Fragen der Zukunftshoffnungen zu finden.

Das allerdings ist nur ansatzweise gelungen. Die linken Theologen trugen u.a. biblische Textmodelle vor, die auf einen "Befreiergott" hinweisen. Sie verwiesen auf Lateinamerika, wo sich die Bewegungen für einen "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" ganz selbstverständlich auch aus der Befreiungstheologie und den religiösen Traditionen der Basisgemeinden oder der indigenen Völker speisen. Solche Vorstellungen wurden jedoch von der marxistischen Seite z.T. massiv mit dem Hinweis auf den an anderen Bibelstellen vorkommenden "Rachegott" abgelehnt.

Die Theologen verwiesen ferner darauf, dass die ökonomischen Analysen schon in der Marxschen Religionskritik angelegt seien und in seiner Fetischismusanalyse im "Kapital" fortgesetzt werden. Mit seiner "Kritik der Religion" meine Marx nicht deren "Abschaffung" - ebensowenig wie Kants "Kritik der Vernunft" deren "Abschaffung" meine. Vielmehr gehe es um "Aufhebung" im dialektischen Sinne.

Die theologisch-ideologische Brisanz der Religions- und Fetischanalyse bei Marx wurde in der Diskussion von marxistischer Seite zurückgewiesen und zu entschärfen versucht - mit dem Hinweis, es handele sich im Marxschen Text lediglich um eine Analogie und nicht um einen Bestandteil der ökonomischen Kritik. dass jedoch die Aufdeckung der Fetische in einer Warengesellschaft eine Analyse der "falschen Götter" wie "Freier Markt", "Kapital" oder "Rechtsstaat" enthalten müßte, geht damit verloren.

Es ist schade, dass es in dieser Diskussion zwischen Christen und Marxisten weitgehend bei einem Schlagabtausch geblieben ist. Schließlich besagen die bisher in Europa gemachten Erfahrungen mit Revolutionen auch, dass religiöse Traditionen nicht emanzipatorisch beerbt werden konnten. Dazu trug sicherlich die fatale Annahme bei, seit der Zeit der Aufklärung seien Religion und Glaube für den "modernen Menschen" Auslaufmodelle, an denen nur noch in reaktionärer Weise festgehalten werde.

Heute leben wir in einer Weltwirtschaftskrise, der Neoliberalismus des "freien Kapitalmarktes" verlangt die absolute Unterwerfung und Verelendung der abhängig Beschäftigten und ihrer Angehörigen. Diese Unterwerfung ist jedoch strikter als jeder "falsche Herrscher-Gott" der Vergangenheit. Dagegen zu behaupten, es gebe gar keinen Gott, ist ein Zeichen von Aussichtslosigkeit, nicht von Stärke. Übrig bleiben da nur die blinden Mächte des Marktes, die angebetet werden wollen und uns den Kampf aller gegen alle als letzten Daseinsgrund aufzwingen wollen.

Der Autor ist evangelischer Pfarrer in Münster